Das Einspracheverfahren im Baurecht

Wer kann Einsprache erheben?

Zur Erhebung einer Einsprache gegen ein Baubewilligungsgesuch sind alle Personen qualifiziert, die an der Aufhebung des Gesuchs ein schutzwürdiges Interesse haben (§ 207 Abs. 1 lit. a PBG). Ein schutzwürdiges Interesse hat, wer in beachtenswerter Nähe zur Streitsache steht, d.h. wer an der Abweisung des Gesuches stärker als die Allgemeinheit interessiert ist und wer in höherem Masse als jedermann, besonders und unmittelbar berührt wird. Schutzwürdige Interessen können neben rechtlichen Interessen, auch wirtschaftlicher, ideeller oder rein tatsächlicher Natur sein. Im Bau- und Planungsrecht setzt ein schutzwürdiges Interesse einen räumlichen Bezug, sprich eine feste nachbarliche Nähe in Form von dinglichen oder vertraglichen Rechten voraus. Nachbaren sind zur Einsprache befugt, wenn sie mit Sicherheit oder grosser Wahrscheinlichkeit durch Immissionen (Lärm, Staub, Erschütterungen, Licht oder andere Einwirkungen) betroffen werden, welche durch die betroffene Baute hervorgerufen werden. Das wichtigste Kriterium zur Beurteilung der Einspracheberechtigung von Nachbaren ist gemäss Rechtsprechung die räumliche Distanz zum Bauvorhaben. In der Regel wird eine solche Befugnis als gegeben erachtet, wenn sich die nachbarliche Liegenschaft in einem Umkreis von bis zu rund 100 Meter befindet. Die Einsprachebefugnis wird jedoch in einer Gesamtwürdigung und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und Umstände im jeweiligen Fall beurteilt. Eine Entfernung von mehr als 100 Meter muss demnach nicht zwingend bedeuten, dass keine Einsprache erhoben werden kann. So kann eine weiträumige Einwirkung wie der Betrieb einer Schiessanlage oder eines Flughafens einen grösseren Kreis von Personen zur Beschwerde ermächtigen. Die direkten Nachbaren sind in der Regel immer zur Einsprache befugt, wobei nicht nur Eigentümer der benachbarten Liegenschaften, sondern auch Dritte wie Baurechtsinhaber, Mieter und Pächter zur Einsprache ermächtigt sind. Nicht zu einer Einspracheberechtigung führt das Vorliegen einer Konkurrenzsituation. Zusätzlich muss die Beschwerde führende Partei durch die Gutheissung der Einsprache einen rechtlichen oder faktischen Vorteil erlangen oder einen Nachteil abwenden können. So kann beispielsweise eine Behinderung oder Einschränkung der Aussicht, starke Erschütterungen oder mehr Mehrverkehr als Argumente vorgebracht werden. Neben Privatpersonen sind zudem auch kantonale Behörden, Dienststellen und andere Organisationen im Bereich Umwelt-, Natur- und Heimatschutz zur Einspracheerhebung befugt.


Wie wird Einsprache erhoben?

Die Einsprache ist in schriftlicher Form und im Doppel bei der in der zuständigen kommunalen Stelle einzureichen (§. 194 Abs. 1 PBG). In der Regel sind für Einsprachen in einem Baubewilligungsverfahren das Baudepartement oder in kleineren Gemeinden der Gemeinderat zuständig.


Wie muss eine Einsprache aufgebaut werden?

Mit der Einsprache muss ein begründeter Antrag gestellt werde, d.h. es muss dargelegt werden, was mit der Einsprache erreichen werden soll, in der Regel ist dies die Nicht-Erteilung oder die Erteilung einer abgeänderten Baubewilligung. Zudem ist das oben erwähnte schutzwürdige Interesse darzulegen. Die Einsprache führende Partei muss begründen, warum sie mehr als die Allgemeinheit betroffen ist, d.h. es muss darleget werden inwiefern man durch das geplante Bauwerk gestört wird und dass eine Gutheissung der Einsprache auch tatsächlich etwas bringen würde. Argumente betreffend Geschmack («Gefällt mir nicht») oder nur vorübergehende Störungen während der Bauzeit (Lärm, Staub) sind in der Regel ohne grosse Erfolgsaussichten. Allerdings gibt es in der Stadt Luzern sogenannte Ortbildschutzzonen (Art 15 ff. des Bau- und Zonenreglements der Stadt Luzern), in welchen ein Baugesuch abgelehnt werden kann, wenn eine Baute nicht ins Ortsbild passt. Bauen oder Abreissen ist in diesen Zonen nicht per se verboten, aber die Behörden sind zu einer grösstmöglichen Schonung verpflichtet. Vorübergehenden Immissionen (Lärm, Staub) während der Bauzeit müssen in der Regel geduldet werden, aber bei übermässigen Störungen kann gestützt auf das Nachbarrecht (Art. 679 und 684 ZGB) Schadenersatz verlangt werden. Schadenersatz ist allerdings nicht mittels Einsprache, sondern auf dem Zivilrechtsweg einzufordern.

Im Baubewilligungsverfahren ist zwischen zwei unterschiedlichen Einsprachen zu unterscheiden: die öffentlich-rechtliche Einsprache und die privatrechtliche Einsprache. In einer öffentlichen-rechtlichen Rechtsstreitigkeit stehen sich jeweils eine Privatperson und der Staat in Form eines Departements oder einer Dienststelle gegenüber. Mit der öffentlich-rechtlichen Einsprache werden daher Verletzungen öffentlich-rechtlicher Bestimmungen gerügt (Art. 194 Abs. 2 PBG), d.h. die Nicht-Einhaltung von eidgenössischen, kantonalen oder kommunalen Bestimmungen, die raumordnungsrelevante Anforderungen an Bauvorhaben enthalten wie beispielsweise das Bauen eines zu grossen Balkons oder die Nicht-Einhaltung von vorgeschriebenen Abständen zum Nachbarsgrundstück. Mit der privatrechtlichen Einsprache können Verletzungen privater Rechtsnormen geltend gemacht werden, in der Regel sind Bestimmungen aus dem Nachbarrecht betroffen (Art. 684 ZGB). In solchen Situationen stehen sich zwei Privatpersonen gegenüber. Häufige nachbarrechtliche Streitigkeiten ergeben sich, wenn sich eine Partei durch das Verhalten eines Nachbaren gestört fühlt. Solche Störungen können namentlich übermässiger Lärm, Geruch oder Erschütterungen sein oder die Einschränkung der Aussicht. Privatrechtliche Einsprachen werden auf dem Zivilrechtsweg beurteilt, die Beschwerde führende Partei wird daher von der zuständigen Gemeinde an den Zivilrichter verwiesen (§ 62 Abs. 2 PBV), d.h. es wird nicht die Gemeinde über die Angelegenheit entscheiden und das Verfahren wird aufwendiger.


Wann ist Einsprache zu erheben?

Die Einsprache hat im ordentlichen Verfahren innert der 20-tägigen Auflagefrist zu erfolgen (§ 193 Abs. 2 PBG). Im vereinfachten Verfahren gilt eine verkürzte Frist von 10 Tagen, die ab Zustellung der Mitteilung an die Grundeigentümer beginnt (§ 198 Abs. 1 lit. d PBG). Das vereinfachte Verfahren betrifft speziell bezeichnete Bauten, Anlagen und Änderungen derselben, wobei auf eine öffentliche Bekanntmachung verzichtet wird, die betroffenen Grundeigentümer jedoch entsprechend informiert werden. Die Eingabe kann per Post eingereicht werden, wobei das Datum des Poststempels entscheiden ist. Es empfiehlt sich daher, die Eingabe mittels Einschreiben zu versenden. Es ist auch möglich die Eingabe persönlich bei der zuständigen Stelle abzugeben (§ 194 Abs. 1 PBG und § 33 Abs. 2 VRG).

 


Was geschieht nach Eingabe einer Einsprache?


Die Einsprach wird den Grundeigentümern und der Bauherrschaft innert fünf Tagen nach Ablauf der Einsprachefrist zur Stellungnahme zugestellt (§ 194 Abs. 3 PBG). Daraufhin kann die Bauherrschaft ebenfalls Stellung nehmen, welche wiederum der Beschwerde führende Partei zugestellt wird. Danach entscheidet die zuständige Gemeinde über das Baubewilligungsgesuch und die Einsprache (§ 196 Abs. 1 PGB). Der Entscheid über das Baugesuch und die Einsprache wird den Einsprechern zugestellt (§ 196 Abs. 3 PGB).